Unvollendet, aber nicht unvollkommen
Den fulminanten Auftakt des Programms bildete im Mutterland der Reformation ein Choral von Martin Luther. „Ein' feste Burg ist unser Gott“ hallte in einer frühen Bearbeitung von Dirigent Jürgen Gerisch durch das bestens besuchte Kirchenschiff der Zentralkirche Leipzig-Mitte. Fest rammte der Organist die Pedale in den Boden. Das Orchester unterstrich die tröstenden Worte des Chorals und somit zugleich auch die einleitenden Gedanken des Stammapostels, der in seinem Eröffnungsgebet besonders der Flutopfer gedachte.
Zwei unvollendete Werke, denen man dies aber glücklicherweise nicht anhört, brachten harmonische Dramatik und musikalische Dichte ins Programm. Beide österreichischen Komponisten starben in ihren 30er Lebensjahren. Vom ersten, Franz Schubert, legte der Orchesterleiter den 2. Satz aus der „Unvollendeten“ auf die Pulte. Der andere Wiener Komponist schrieb sich das „Requiem“ quasi selbst, stirbt Mozart doch während der Ausfertigung. Mit seiner Totenmesse schlug das Programm den inhaltlichen Bogen zum tags darauf gefeierten Gottesdienst. Nein, nicht nur im Gedächtnis an die Entschlafenen, sondern auch thematisch: die Schlussworte „quia pius es“ (dt.: denn du bist gütig) bereiteten auf das Bibelwort des Gottesdienstes vor (siehe Bericht unter: In Verbindung stehende Artikel).
Selbstredend sollte dem elsässischen Stammapostel auch „Heimatliches“ zu Gehör gebracht werden. So erklang einerseits die Harfe, deren Saiten schon durch David so kunstvoll gezupft worden sein sollen, dass König Saul tiefe Kontemplation erlangte. Das „Recueillement“ (dt.: Andacht, Besinnung) lud neuerlich dazu ein. Das zweite französische Werk floss aus der Feder des Impressionisten Claude Debussy. „En Bateau“ (dt.: Zu Boot) vermittelt das Gefühl, auf einer schwankenden Barke über das Wasser zu treiben. Allerdings im christlichen Sinne etwas ziellos, denn Debussys Anliegen war eher das flüchtig Verträumte, als „dass noch manch verirrtes Schifflein werde sicher heimgebracht“. Übrigens einer der Liedtexte, die im neuen Chorbuch nicht neu sein werden.
Mit seiner feinen Ironie nahm der Stammapostel abschließend Bezug auf einen Konzertbesuch in Afrika: ein im Regen spielendes Streichorchester, dass „glücklicherweise“ mit Plastikinstrumenten ausgerüstet gewesen war, wohl aber dadurch nicht so perfekt geklungen habe. Dankbar zeigte er sich daher umso mehr für die europäische Musiktradition und die an diesem Nachmittag zu Herzen gehende Interpretation.
ctk / Fotos: M.V.
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