Jörg Leske: Zehntausend Euro – ein beachtlicher Betrag
Seit Oktober 2011 nimmt Jörg Leske (60), Bezirksevangelist für Hannover-Mitte, die Aufgabe als Geschäftsführer von NAK-karitativ wahr. Er gehört seit Gründung im Jahr 2001 dem Vorstand an und hat seit 2007 den Vorsitz inne. Der Verein beschreibt sich selbst als „Hilfswerk der Neuapostolischen Kirchen Deutschlands, das selbständig oder in Zusammenarbeit mit Kirche und kompetenten Partnerorganisationen sowohl Projekte initiiert als auch Einrichtungen fördert, damit Menschen sicher und in Würde leben können.“
Bezirksevangelist Leske, nach der Aufführung des Pop-Oratoriums in Hamburg hat jedes Besucherpaar durchschnittlich 2,50 Euro für die Opfer der Hochwasserkatastrophe in Deutschland gespendet. Ist das ein guter Durchschnitt oder wollen Sie für mehr Spendenbereitschaft in Norddeutschland appellieren?
(lacht) Vor allem war ich begeistert wie spontan, schnell und problemlos der Spendenaufruf und auch die Abwicklung gelaufen ist. Überhaupt war toll, dass das Thema so kurzfristig aufgegriffen wurde, pfiffige Plakate erstellt werden konnten und so weiter. Und zum Durchschnitt: Den kann man sicherlich nicht mit Zahlen zu anderen Anlässen vergleichen. Denn hier kam ein Publikum zusammen, um in erster Linie Spaß zu haben – nicht um zu spenden. Das Pop-Oratorium war ja keine Benefizveranstaltung. Insofern sind 2,50 Euro, in der Summe knapp 10.000 Euro, ein beachtlicher Betrag, für den wir sehr dankbar sind.
Können Sie sagen, welchen Beitrag die Spenden aus Norddeutschland geleistet haben? Und welche Maßnahmen wurden darüber hinaus realisiert?
Wir haben über die kirchlichen Strukturen, die wir permanent nutzen, den betroffenen Menschen Hilfe angeboten: Sie sollten sich dazu bei den Bischöfen oder Aposteln melden. Denen lag ein Entscheidungspapier von NAK-karitativ vor, dass ihnen Handlungsspielraum für schnelle Unterstützungen bot. Schadenshöhen waren zu ermitteln, zu erwartende Versicherungsleistungen zu berücksichtigen et cetera. Dann konnten – wie die öffentliche Hand das auch tut – Pauschalbeträge ausgezahlt werden. Diese Beträge gingen überwiegend an Privathaushalte, auch an einige wenige Gewerbetreibende, denen die Existenz zerstört wurde, dann auch an Einrichtungen für Behinderte, Pflegeheime und so weiter. Ganz konkret ist zum Beispiel in einer Einrichtung eine Heizungsanlage komplett ausgefallen, die neu installiert werden musste. In diesem Fall hat NAK-karitativ einen namhaften Anteil der Kosten übernommen.
Zwei neuapostolische Kirchen sind von dem Hochwasser auch beschädigt worden…
In Aken und Halle, ja. Wobei ich in Halle noch von keinen Schäden weiß, dort stand aber das Wasser auf dem Grundstück. In Aken hingegen war der Keller überflutet. Nur: Die Gelder von NAK-karitativ sind nicht für die Kirchen, sondern für die Menschen. Sollte aber am Ende Geld übrig sein, wird der Vorstand über die Verwendung des Geldes für die Kirchen sicherlich noch einmal nachdenken.
Das Hochwasser ist vorbei, die Schäden wurden und werden behoben. Findet Ihrerseits noch eine mittelfristige Begleitung der Katastrophenopfer statt?
Nun, wir stützen uns auf die Kirchenstruktur, das heißt die Begleitung der Betroffenen erfolgt über die Gemeinden, da es nach der finanziellen Unterstützung ja überwiegend eine seelsorgerische Begleitung ist. Und das funktioniert gut, muss aber auch so funktionieren, weil NAK-karitativ zwei Angestellte hat: einen Projektkoordinator und meine Assistentin. Ich selbst bin – trotz der Aufgabe der Geschäftsführung – ehrenamtlich dabei. Also müssen wir bei der Begleitung der Katastrophenopfer auf die Kirche bauen. Wenngleich wir jederzeit die Steuerung übernehmen und Ansprechpartner sind, nur eben nicht persönlich vor Ort.
Erhalten Sie dann überhaupt Rückmeldungen von jenen Menschen, die unmittelbar von den Spenden profitiert haben?
Selten. Aktuell sind es weniger als zehn Personen, die sich direkt bei meinen Kollegen oder mich für die Unterstützung nach der Hochwasserkatastrophe bedankt haben. Die meisten Dankesäußerungen gehen an die Bischöfe und Apostel, die das Geld auszahlen. Es ist aber nachvollziehbar, dass das Feedback überschaubar ist: Denn wer seine Hütte unter Wasser hat, kommt einfach nicht dazu.
Wie sieht es bei Ihnen aus: Kommen Sie zeitlich zu persönlichen Gesprächen mit Menschen, denen Sie und Ihre Mitarbeiter helfen?
Telefonisch geht das ganz gut. Und wenn mir jemand schreibt, schreibe ich natürlich auch ein paar Zeilen zurück. Ansonsten ist meine Hauptaufgabe aber die Steuerung und Koordination. Und dabei wird immer wieder deutlich: Ohne Ehrenamtliche vor Ort, die sehr gute Arbeit leisten, geht es nicht.
Können Sie das konkretisieren? Wie viele Freiwillige haben sich zum Beispiel proaktiv bei Ihnen mit dem Angebot gemeldet, in den Hochwassergebieten Dämme zu errichten, also schlicht und einfach Sandsäcke zu stapeln?
Wenige. Da greifen stattdessen wieder die gut funktionierenden Kirchenstrukturen. Denn ich weiß von vielen Jugendgruppen, die sich an Samstagen und sonstigen freien Tagen engagiert haben – organisiert über die Gemeinden und Kirchenbezirke. Mit dem einzelnen Freiwilligen ist es aber schwierig. Denn wer beispielsweise von Düsseldorf oder Flensburg in Sachsen-Anhalt helfen will, der muss schauen, wie die Anreise und Übernachtung geregelt werden kann. Und daran scheitert es oftmals, beziehungsweise wird dann verstärkt über die finanzielle Spende nachgedacht.
Wer ist Ihnen denn in den letzten zwölf Jahren Ihrer Tätigkeit am häufigsten begegnet: der Anpackende oder der Geldgeber?
Der Geldgeber. Aber auch deswegen, weil NAK-karitativ schwerpunktmäßig dort tätig ist, wo kaum jemand eigenhändig helfen kann, nämlich in der Dritten Welt. Und solche, die ein halbes Jahr oder ein Jahr lang gerne in Afrika aktiv anpacken und helfen wollen, die müssen wir momentan vertrösten. Da fehlt es noch an Größe bei den einzelnen Einrichtungen. Dafür benötigen wir einfach noch mehr Wachstum.
Vor dem Hintergrund, dass viele, die NAK-karitativ unterstützen, neuapostolischen Glaubens sind: Sehen Sie Tendenz, „Geld geben statt anpacken“ auch in den Gemeinden, die Sie als Bezirksevangelist betreuen?
Tendenz? Nein, das ist von Kirchenmitglied zu Kirchenmitglied ganz unterschiedlich und höchstens eine Frage des Alters und damit der finanziellen wie körperlichen Kraft. Aber die Kirche selbst hat beim Thema „Anpacken, um den Nächsten zu helfen“ eindeutig noch Wachstumspotenzial. Und bis eine große Gemeinde aus eigener Initiative Möglichkeiten zum Anpacken findet, um den Nächsten zu helfen – also den Nächsten außerhalb der Kirche –, das braucht seine Zeit. Suppenküchen und Blutspende-Aktionen, die vereinzelt schon realisiert werden, sind da erst die Anfänge.
Darf ich kurz zum Finanziellen nachhaken: Besteht Ihrer Meinung nach die Gefahr, dass gerade bei Kirchenmitgliedern Spende und Opfer in der Praxis verwechselt oder vermischt werden? Was sagen Sie zum Beispiel einem Kirchenmitglied, das den Betrag, den es früher geopfert hat, heute NAK-karitativ als Spende überweist?
Das ist eigentlich eine rein theoretische Frage, denn praktisch bietet sich einem nur ganz selten die Gelegenheit, über die Spende, die Beweggründe und Wünsche, die damit verbunden sind, zu sprechen. Theoretisch antworten würde ich aber: Beim Opfer geht es um deine Beziehung zum lieben Gott. Das ist Dank gegenüber dem Höchsten. Was du bei NAK-karitativ tust, ist dein Engagement gegenüber dem Nächsten.
Doch praktisch ließe sich überprüfen, ob die inhaltlich klare Trennung in Katastrophen-Zeiten tatsächlich so gelebt wird.
Ja, das stimmt. Und ich muss sagen, unmittelbar nach dem Tsunami 2004 war ein Anstieg der Spenden und gleichzeitig ein Einbruch der Opfereinnahmen feststellbar. Jetzt nach der Hochwasserkatastrophe wiederum nicht. Und das deckt sich – zum Glück – mit den Erhebungen, die wir in den Anfängen von NAK-karitativ gemacht haben: Selbst in Kirchenbezirken, in denen die Mitglieder sich stark für karitative Maßnahmen engagiert haben, sei es mit Benefiz-Konzerten oder mit persönlichen Spenden, blieb das Opfer davon unberührt.
Interview: Björn Renz
Fotos: Frank Schuldt
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